Systemische Kompetenz für Führungskräfte

Systemische Kompetenz für Führungskräfte

Warum ist systemisches Denken und Handeln für Führungskräfte wichtig ist

Was bedeutet systemisch überhaupt? 

Der systemische Ansatz hilft dabei, komplexe Systeme, wie beispielsweise Teams oder Organisationen, zu verstehen und somit wirksamer zu agieren. Er geht davon aus, dass sich ein System nicht direkt steuern lässt, sondern dass man lediglich Impulse hineingeben kann und sich das System dann in verschiedene mögliche Richtungen selbst organisiert. 

Hierbei werden Personen als Teil eines Systems betrachtet. Neben den Personen wird ein System außerdem von den darin geltenden Regeln, den subjektiven Deutungen der Systemmitglieder und wiederkehrenden Verhaltensmustern bestimmt.  

Um somit Teams und Organisationen zu verstehen und womöglich auch Änderungen herbeizuführen, ist es von großer Bedeutung erst einmal Informationen zu sammeln, Hypothesen zu bilden und dann erst Interventionen zu planen und durchzuführen. Dabei werden die Personen im System immer in ihren Beziehungen und vor allem im Hinblick auf deren Wechselwirkungen betrachtet. 

Außerdem steht hinter dem systemischen Ansatz ein humanistisches Menschenbild, welches jedem*r eine gute Absicht unterstellt. Jede*r handelt aus seiner*ihrer Perspektive richtig und trägt alle notwendigen Ressourcen in sich. Es wird nicht nach Schuld und Fehlern gesucht, sondern nach Möglichkeiten und Lösungen.

Was bedeutet es, systemisch zu denken und zu handeln? 

Man geht von zwei wichtigen Perspektiven aus, die es zu betrachten gilt – die Perspektive der Vernetzung und die Perspektive der Wirklichkeitskonstruktion. 

Die Perspektive der Vernetzung

Hierbei geht es darum, dass alle Elemente in einem System miteinander vernetzt sind und in wechselseitigen Beziehungen stehen. Diese Perspektive wird häufig mit einem Mobile, welches wir noch aus der Kindheit kennen, verglichen. Fügt man hier ein Teil hinzu oder stößt es auf einer Seite an, bewegt sich das gesamte Mobile mit. Kommt beispielsweise eine neue Führungskraft in ein Team, hat dies Auswirkungen auf das gesamte System. 

Daher ist es für eine Führungskraft unerlässlich, erst einmal das System zu beobachten und danach Hypothesen über mögliche Auswirkungen aufzustellen, bevor Änderungen in ein Team gegeben werden. 

In jedem System gelten bestimmte Regeln, die das Handeln leiten. Diese zu erfassen hilft dabei, sich dort erfolgreich zu bewegen – gerade für neue Mitglieder. Manche dieser Regeln sind explizit, offensichtlich und klar für alle, wie beispielsweise die Tätigkeitsbeschreibung. Andere sind implizit und verdeckt, wie beispielsweise „Das Team geht um 12:30 Uhr gemeinsam in die Pause“ oder „Besprechungen werden erst gestartet, wenn alle da sind“. 

Des Weiteren sollte man ein Augenmerk auf wiederkehrende Verhaltensmuster (sogenannte Interaktionszirkel) legen. Hierbei wird geschaut, ob es Verhaltensmuster gibt, die immer wieder auftreten und einer Lösung im Weg stehen.

Hier gilt es, bestehende Interaktionszirkel zu identifizieren und diese durch ein anderes, nicht übliches Verhalten, zu durchbrechen. 

Die Perspektive der Wirklichkeitskonstruktion

„Es sind nicht die Dinge selbst, die uns beunruhigen, sondern die Vorstellung und Meinung von den Dingen“

Epiktet

Mit dieser Perspektive geht man davon aus, dass sich jeder Mensch sein eigenes Bild der Wirklichkeit konstruiert. Dieses Bild wird häufig mit einer inneren Landkarte beschrieben. Es sind subjektive Deutungen, Gedanken und Emotionen, die das Handeln und das Urteilen einer Person bestimmen. 

Um bestehende Annahmen zu irritieren und eine Erweiterung der inneren Landkarte zu ermöglichen, ist es wichtig, anzuerkennen, dass es neben der eigenen Realität auch noch andere gibt, die genauso wahr und berechtigt sind. Dadurch eröffnen wir einen Raum, der Veränderung und Perspektivwechsel ermöglicht.  

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass systemisches Denken den Blick öffnet, die Perspektive erweitert und somit neue Handlungsmöglichkeiten entstehen können. 

Welche Bedeutung hat systemisches Denken und Handeln nun für Führungskräfte? 

Die Führungskraft und ihr Team bilden ein soziales System. Dieses ist unter anderem abhängig von den einzelnen Personen im System, deren Denk- und Verhaltensweisen. Ebenso von den geltenden Regeln und den Werten des Systems. 

Das Wissen um den systemischen Ansatz und die Methoden, helfen Führungskräften dabei:

  • das ganze System zu betrachten
  • Wechselwirkungen und Dynamiken bereits im Vorfeld zu bedenken
  • in Hypothesen zu denken 
  • in Interaktionszirkeln zu denken, diese zu erkennen und aufzulösen
  • Lösungen zu suchen anstatt Probleme zu analysieren
  • die eigene Perspektive zu erweitern
  • zu verstehen, dass Wirklichkeit nur konstruiert ist und jede*r eine eigene Landkarte besitzt
  • zu verstehen, dass jeder Mensch in seiner eigenen Perspektive richtig und sinnvoll handelt
  • in „Sowohl-als-auch“ – statt in „Entweder-oder“-Kategorien zu denken
  • unterschiedliche Sichtweisen zu berücksichtigen und zu akzeptieren

Wie kann ich das systemische Wissen als Führungskraft im Alltag nutzen?  

Der erste Schritt besteht darin, sich selbst kennenzulernen, die eigene innere Landkarte zu erforschen, die eigenen Haltungen und Verhaltensmuster zu identifizieren. Denn erst wenn ich mich selbst kenne, kann ich mein Verhalten und die dahinterliegenden Bedürfnisse auch transparent machen. Dies hilft dabei sich weiterzuentwickeln und persönliche Veränderungen anzustoßen.

Wird ein Teammitglied beispielweise zur Teamleitung befördert, kann man sich selbst fragen: „Welche Erwartungen habe ich an mich als Führungskraft? Welche Erwartungen hat meine Führungskraft an mich? Welche Erwartungen haben meine Mitarbeiter*innen an mich? Was ist mir als Führungskraft wichtig?“

Im nächsten Schritt geht es darum, die innere Landkarte der Mitarbeiter*innen durch Fragen zu erforschen. „Welche Erwartungen hast du an mich als Führungskraft? Was ist dir bei deiner Führungskraft wichtig? Was brauchst du, um gut arbeiten zu können?“ 

Vielleicht entwickelt man plötzlich ein komisches Gefühl, weil die Kolleg*innen nicht mehr so offen mit einem umgehen. Das kann möglicherweise daran liegen, dass es noch weitere Personen gibt, welche die Position gerne gehabt hätten. Zumindest ist das eine Hypothese, die man als Führungskraft aufstellen kann. Weitere Fragen, die man sich stellen könnte, lauten: Wie steht man selbst zur Beförderung? Gibt es noch andere Möglichkeiten, die Beförderungen zu deuten? Wie könnte das Team die Beförderung deuten? Sind es nur die eigenen Vermutungen, die das mulmige Gefühl hervorrufen oder grenzen sich die Kolleg*innen wirklich ab? 

Man kann andererseits auch nachfragen: „Wie siehst du die Situation, dass ich zum*r Teamleiter*in befördert wurde? Wie geht es dir damit?“ Wichtig ist dabei, dem Gegenüber aktiv zuzuhören, ihm*ihr Zeit zu geben und im Anschluss auch die eigenen Empfindungen zu schildern und die eigene Sichtweise zu erläutern. 

Wenn man die Landkarte des Gegenübers kennt, kann man das Verhalten besser verstehen und eher abschätzen, wie der Mitarbeiter bzw. die Mitarbeiterin in manchen Situationen reagiert. Außerdem kann man auch dabei helfen, die Landkarte zu erweitern und somit neue Handlungsmöglichkeiten und persönlichen Wachstum fördern. 

Dadurch kann ein offener Raum geschaffen werden, der Menschlichkeit, Akzeptanz, Reflexion und somit Diversität sowie Wachstum ermöglicht. 

Das kann ich als Führungskraft noch tun

Des Weiteren sollte man sich als Führungskraft fragen: „Welche Regeln galten bisher in dem Team?“ Beispielweise ging man bisher mit Problemen immer direkt zur Fachbereichsleitung. Das ist mit der neuen Teamleitungsfunktion nicht mehr notwendig. „Was kann ich tun, um diese Regel zu ändern? Gibt es noch weitere Regeln, die mir wichtig sind? Welche Regeln sind dem Team wichtig? Welche Werte vertritt das Team?“

„Gibt es bestimmte Verhaltensweisen, die immer wieder auftauchen? Welche Möglichkeiten habe ich, diese zu unterbrechen?“ Beispielsweise werden Probleme im Team nie untereinander geregelt, sondern die Teamleitung wird immer von beiden Seiten mit einbezogen. Hier eine Unterbrechung zu schaffen und sich nicht mehr in alle Probleme einzuklinken, irritiert den Interaktionszirkel.

Häufig entstehen Probleme in einem Team dadurch, dass sich im System etwas verändert, wie beispielsweise eine neue Teamleitung, die befördert wurde. Beschäftigt sich diese dann nur mit der rein fachlichen (Aufgaben-)Ebene und vergisst dabei, dass es noch weitere Faktoren, wie das soziale System gibt, kann es zu Problemen kommen. 

Genau dabei soll das systemische Denken und Handeln unterstützen. Es geht darum ein Bewusstsein für die verschiedenen Faktoren, wie beispielsweise Beziehungen, Regeln etc. zu entwickeln und zu verstehen, dass es viele Perspektiven gibt und nicht nur ein „Entweder-oder“ zählt. 

Wie ich Führungskräfte und Organisationen unterstütze?

In meinem Entwicklungsprogramm für Führungskräfte geht es zuerst darum, Klarheit über sich selbst, die eigene innere Landkarte, Haltungen und Verhaltensweisen zu erlangen und die eigene Rolle zu reflektieren. Des Weiteren wird der systemische Ansatz, ebenso wie wirksame systemische Methoden und Fragetechniken für Führungskräfte vermittelt. Somit wird ein Bewusstsein für das systemische Denken und Handeln geschaffen, um danach erfolgreich im Team zu agieren und zu führen. Neben der systemischen Kompetenz geht es auch darum psychologische Theorien und Modelle für die Führungspraxis kennenzulernen sowie Methoden aus dem New Work-Kontext für die Teamarbeit und ein besseres Miteinander. 

Außerdem führe ich mit Teams Retrospektiven durch. Hierbei wird ein vertrauensvoller Raum für regelmäßige und offene Reflexion geschaffen, der Wachstum ermöglicht und die Zusammenarbeit sowie den Teamerfolg kontinuierlich verbessert. 

Quellenangaben

  • Einführung in systemische Konzepte der Selbststeuerung, Andreas Kannicht und Bernd Schmidt, Carl Auer
  • Verlag Handbuch Systemisches Coaching, Eckard König und Gerda Vollmer, Beltz Verlag, 2012
  • Einführung in das systemische Denken und Handeln, Eckard König und Gerda Vollmer, Beltz Verlag, 2020

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