Die Doppelrolle Coach & Freund:in

Die Doppelrolle Coach & Freund:in

Im März hatten wir Brigitta Brain zu Gast im systemischen Club zum Thema „Die Doppelrolle Coach und Freund:in“. Brigitta ist MSc Supervision, Coach und Psychodrama Schreibtrainerin und seit 2020 in selbstständiger Praxis von England aus online tätig. Nach einer HR Karriere bei internationalen Firmen ist sie in die psychosoziale Arbeit eingetaucht und verbindet in ihren online well-being Angeboten beide Welten. Bei Interesse kannst Du dich sehr gerne mit Brigitta über Xing oder LinkedIn vernetzen.

In ihrer Masterarbeit hat Brigitta sich 2011 eine spannende Frage gestellt: Wie reagieren Coaches auf eine Problemschilderung im privaten Umfeld?

Während ihrer Forschungsarbeit hatte Brigitta mit viel Gegenwind zu kämpfen. Coaching habe nichts mit Freundschaft zu tun. Um professionell arbeiten zu können, müssten beide Bereiche streng voneinander getrennt werden.

Ich hatte mir das Thema damals in 2011 hart erkämpft. In der Hälfte meiner Masterarbeit brach ich mal in Tränen aus, weil mir gesagt wurde, dass ich das so nicht weitermachen kann. Nein, ich hatte zu viel Herzblut rein gesteckt, als dass ich es mir noch hätte wegnehmen lassen wollen.

Brigitta Brain

Auszug aus der Masterarbeit: Die Doppelrolle Coach und Freund:in

Wenn heute von erfolgreichem Coaching gesprochen wird, dann handelt es sich in der Regel um eine professionelle Beziehung zwischen einem Coach und einem fremden Klienten. Als maßgebliche Erfolgskriterien werden neben fachlichen, sozialen und methodischen Kompetenzen auch Vertrauen und die systemische Haltung beschrieben. Nähe einerseits und Distanz andererseits sind ebenfalls wichtige Voraussetzungen für eine erfolgreiche Beratung.

Im Fokus der Betrachtungen steht gewöhnlich die Beziehung des Coaches zu einer fremden Person. Ein  umstrittenes Thema im Coaching ist die Auseinandersetzung mit anderen  Kombinationen, mit anderen Rollen und Erwartungshaltungen. In diesen Beziehungskonstellationen entsteht meist eine Dynamik, die das professionelle Coaching beeinflussen kann und es wird hinterfragt, ob es sich noch um ein professionelles Coaching im eigentlichen Sinne handelt.

Eine in der Literatur wenig betrachtete Fragestellung ist die Rollengestaltung eines Coaches in seinem privaten Umfeld. Es scheint ein Tabuthema zu sein, das private Umfeld bzw. die Beziehung außerhalb der Professionalität zu erforschen. Die Grenze zwischen professionellem Beraten und privatem Umfeld ist  sauber zu ziehen. In der Psychotherapie wurde diese Grenze in der Vergangenheit fallweise überschritten. Entsprechende Vorfälle, die von  Einladungen zum Essen bis hin zu sexuellem Missbrauch gehen, haben in der Öffentlichkeit für negative Schlagzeilen gesorgt. Diese Erfahrung aus der Psychotherapie könnte eventuell ein Grund dafür sein, warum das Thema „Die Doppelrolle Coach und Freund:in“  eher vermieden wird. Darüberhinaus ist es verständlich, dass bei der noch jungen wissenschaftlichen Erforschung von Coaching der Fokus auf der Überprüfbarkeit und Wirksamkeit von Coaching im professionellen Sinne lag, zumal sich auch die Überprüfung der privaten Verhaltensweisen nicht explizit in ein verkaufbares Beratermodell transferieren lässt.

Die praktische Erfahrung zeigt jedoch, dass professionelle Coaches auch im privaten Umfeld auf ihre Coaching-Kompetenz angesprochen werden. Wie handelt ein professioneller Coach in seinem privaten Umfeld insbesondere, wenn seine berufliche Kompetenz nicht Teil der Beziehung ist? Wie reagiert ein Coach auf Probleme von Familienmitgliedern oder Freunden? Welche Überlegungen und Gefühle des Coaches bestimmen seine Handlungen und Gespräche? Gibt es signifikante Unterschiede im Verhalten gegenüber einem professionellen Coaching? Diese Fragen stellen sich Coaches während und nach der Ausbildung. Derzeit gibt es noch wenig bis keine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Doppelrolle Freund und Coach zugleich.

Die Doppelrolle Coach und Freund:in als ein Weg des Begegnes

Fragt man Brigitta heute, so war ihre Masterarbeit ein wichtiger Meilenstein auf ihrem Weg zur selbstständigen Supervisorin und Coach. Noch heute begleiten sie Gedanken und Erkenntnisse aus der damaligen Zeit in ihrer alltäglichen Arbeit.

Dieser Weg des Suchens, manchmal dafür Kämpfens und der Weg des immer wieder neu Findens und Begegnens geht immer weiter. In jeder Begegnung stelle ich mir die Frage, wer bist Du und wer bin ich und wer bin ich mit Dir heute? Und das in einer professionellen und auch privaten Beziehung. Denn eines haben sie sicher immer gemeinsam – es sind beides Beziehungen in unserem Leben. 

Brigitta Brain

Rückblick auf den systemischen Club

Der systemische Club gemeinsam mit Brigitta war genau das: Eine Begegnung von Gleichgesinnten und ein Austausch unter Freunden.

Wenn ihr die gesamte Masterarbeit lesen wollt, sprecht Brigitta am besten direkt an!

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