Maurice Malten im Interview
Maurice Malten lässt uns heute hinter die Kulissen seiner Arbeit als Berater/Consultant blicken. Vielen Dank, lieber Maurice, dass du unser Interview-Gast warst.
Wir freuen uns, mehr über Dich zu erfahren. Erzähl doch einmal wer du bist
Ich heiße Maurice Malten, bin 31 Jahre alt, verlobt und lebe in Kassel. Der Liebe wegen pendel ich regelmäßig nach Paderborn/ Schloß Holte-Stukenbrock. Zwei Katzen komplettieren unsere Patchwork-Familie.
Wie bist du zu dem gekommen, was du heute beruflich machst?
Das hatte vielfältige Wege und Entwicklungen: Nach meinem unterdurchschnittlichen Abitur bin ich nicht direkt in den Studiengang Soziale Arbeit gekommen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich bin über ein FSJ in einem Hort dann zu einem Quereinstieg in die Erzieherausbildung gekommen. In meiner ersten Berufserfahrung kam ich in Kontakt mit (Team-)Supervisionen. Hier wurde mir klar, wohin es mich ziehen wird, welchen Weg ich bis dahin gestalten möchte und was ich für Voraussetzungen brauche, um Supervision gut ausüben zu können. Nach der Ausbildung zum Erzieher ging es 2013 dann gleich leichter ins Studium. Ich organisierte mich so, dass eine halbe Anstellung als Erzieher und das Studium in Sozialer Arbeit zusammen möglich sein konnten. Das war ein riesen Aufwand und gleichzeitig notwendig, um mich selbst durch das Studium finanzieren und ernähren zu können.
Im Studium hatte sich bei mir sehr viel an Motivation geregt. Ich hatte Lust und Spaß daran, Tutorien zu gestalten, zusätzliche Seminare zu belegen und in einer therapeutischen Praxis im Büro mitzuarbeiten. Gegen 2016 kündigte ich dann als Erzieher, um den Übergang vom Bachelor- zum Masterstudium besser und freier gestalten zu können. Thematisch ging es weiter mit “Sozialpädagogik in Aus- Fort- und Weiterbildung”, also Didaktik, Methodik und Vermittlung sozialpädagogischer Inhalte.
Durch das Stipendium der Hans-Böckler-Stiftung bekam ich hier einen Freiraum, um weiter meinen Interessen und Ideen nachzugehen, ohne den ständigen Druck des gefüllten Kühlschranks und der Miete als große Hürde zusätzlich stemmen zu müssen. Dafür bin ich sehr dankbar. Zudem interessierte ich mich stärker für die Themen Führungsarbeit und -stile und wie Organisationen aufgebaut sind und funktionieren. Im Hintergrund wirkten schon systemtheoretische Ansätze, die ich immer weiter vertiefen und studieren konnte, einfach weil ich nach eigener Motivation Zeit und Raum dafür hatte mich in allem vertiefen zu können.
Durch ein Praktikum am Systemischen Institut Kassel kam ich in eine Assistenz-Lehrposition in den Kursen zu Systemischer Beratung – und damit auch einen großen Schritt voran, was die Vermittlung Systemischer Ansätze für interessierte Lernende betrifft. Mir war klar, dass ich als Erzieher und Sozialarbeiter nicht unbedingt noch Lehrer im Bildungssystem werden möchte. Mit der eigenen Selbstständigkeit schien es mir attraktiv genug zu sein, einen Weg zu suchen, wie ich als Dozent/Trainer eigenständige Kurse in der systemischen Fachwelt geben kann.
Im Verlauf des Masterstudiums bewarb ich mich als Sozialarbeiter für eine Leitungsstelle im Bereich der inklusiv-partizipativen Medienbildung. Mit 30 Wochenstunden und einer Co-Leitung waren wir damit beschäftigt eine “PIKSL”-Einrichtung zu entwickeln und im Sozialraum bekannt zu machen. Wir brauchten eine Organisationsstruktur und Mitarbeiter*innen, Praktikant*innen usw. inklusiv-partizipative Medienbildung gesichert. Vom Arbeitgeber bekam ich sehr viel grüne Wiese zum Bespielen. Das Sozialunternehmen befand sich zu dem Zeitpunkt schon am Beginn seiner Transformation hin zum “kollegial geführten Unternehmen” nach dem Modell von Bernd Oestereich und Claudia Schröder. Seit 1.1.21 bin ich im selben Sozialunternehmen mit 20 Stunden als Stabsstelle am Vorstand angesiedelt und für die Begleitung der Organisation hin zu agileren Arbeitsformen zuständig.
Ich biete Beratung, Coachings, und Moderationen für die Pilot-Projekte und -Teams sowie für die oberen Führungsebenen an. Außerhalb der Anstellung, mein Spielbein, inspiriere ich als Dozent/Trainer (SG) am Institut Systemische Beratung. Darüber hinaus lehre ich an der Universität Kassel in einem schlüsselkompetenzorientierten Seminar “Service Learning” zu Projektmanagement in zivilgesellschaftlichen Initiativen (nach dem Motto: “Gutes tun und Credits verdienen”) und bekomme Anfragen von Supervisionen und Coachings.
Maurice Malten, Berater/Consultant
Seit wann bist du systemisch tätig?
Nach dem Bachelor habe ich 2016 die DGSF-Ausbildung zum Systemischen Berater & Sozialtherapeuten begonnen. Damit habe ich mich gleich nebenberuflich Selbstständig gemacht und weiter die Supervisionsausbildung angeschlossen. Mittlerweile hat sich daraus ein vollwertiges Beratungsangebot entwickelt, meine Reichweite und Kontakte gehen mittlerweile weit über das hinaus, was ich mir jemals erträumt habe.
Wen möchtest du mit Deinem Angebot erreichen? Wen nicht?
Ich erreiche Menschen, die Lust auf zukunftsfähige und nachhaltige Entwicklungen haben. Menschen, die Lust und Freude dabei haben, ergebnisoffene Erkundungen zu wagen und die sich als Person oder in ihrer Rolle (zum Beispiel als Fach- oder Führungskraft) weiterentwickeln wollen. Meine Vision ist es, dass Menschen voll auf ihr Entwicklungspotenzial zugreifen und ihre Gestaltungskraft verwirklichen können. Ich begleite einerseits gemeinnützige Organisationen und Bildungseinrichtungen vorrangig in der Eingliederungshilfe, Kinder- und Jugendhilfe, Bildungseinrichtungen und IT, andererseits begleite ich junge Erwachsene in der Lehre/ Ausbildung in Systemischer Beratung. Häufig treffe ich auf Organisationen und Personen, die sich auf diese Reise einlassen. Aufträge und Kunden, deren Fokus eher auf den Einkauf von Lösungen in Form von ergebnisorientierten Workshops basiert liegen daher außerhalb meiner Suchbewegung.
Systemisches Arbeiten aus Deiner Perspektive
Was verbindest du mit Deiner Arbeit?
Ich verbinde mit meiner Arbeit zunächst das Aushalten von Ahnungslosigkeit und Verwirrung. Jeder Auftrag ist zunächst von Nicht-Wissen und Fragen gekennzeichnet. Erst durch Feedbackschleifen, Rückmeldungen durch aktives Zuhören und konkrete Zusammenfassungen entsteht ein gemeinsames Bild und durch meinen Beitrag eine klare Kontur. Einen gemeinsamen Prozess zu starten, heißt, dass ich aufgrund meiner Expertise durchaus angefragt bin fachlich zu liefern, dennoch vermeide ich ein lineares Vorgehen á la “Ich weiß schon, wo es lang geht”. Damit bin ich in der Vergangenheit wenig zurecht gekommen und auch meine Ausbildungen haben mir immer wieder gezeigt, dass die Praxisarbeit von Ausprobieren, Erkunden und Inspiration gekennzeichnet sind, die ich nur selten konkret und klar zu Beginn des Prozesses benennen kann.
Ich begegne Menschen authentisch und offen, um Sie dadurch auch in eine Lage zu bringen, mit mir neue Schritte zu wagen, Lösungen selbst zu erkunden und eigene Ressourcen dabei zu aktivieren (statt welche von mir “einkaufen” zu wollen). Meiner Meinung nach ist die Kunst, dem Bedürfnis nach Kontrolle und Klarheit gelegentlich Raum zu geben – aber auch skeptisch genug sich selbst gegenüber zu bleiben.
Was unterscheidet Dich von anderen? Was zeichnet Dich und Deine Arbeitsweise aus?
Ich glaube, grundsätzlich bin ich mit meiner Biografie ein Unterschied an sich. Mein atypischer Bildungsweg ermöglicht mir den Blick in verschiedene Sozialformen und Statusebenen. Hier und dort habe ich gelernt in die Beobachtung zu gehen und soziale Phänomene gründlich und tiefgreifend verstehen zu wollen.
Maurice Malten, Berater/ Consultant
Eher defensiv schaue ich daher zunächst nach den erkennbaren Mustern und solchen, die verändert werden wollen – ohne mit offensiven Methoden nach Lösungen zu suchen. Der deutlichste Unterschied ist allerdings der, dass ich gerne meine vielschichtigen Erfahrungen mische: systemische Ansätze mit gruppendynamischen und analytischen Konzepten.
Deine systemische Haltung
Würdest du Dich selbst als Systemiker*in bezeichnen? Wenn ja, warum und wenn nein, warum nicht?
Eine Zeit lang hat die Bezeichnung gepasst, als Systemischer Berater zu den Systemiker:innen zu gehören. Mit der Einarbeit in die Konzepte und Methoden und der Vielfalt an Praxiserfahrungen bisher habe ich aber auch gemerkt, dass es “den Systemiker” nicht gibt. Die Wurzeln der Ansätze greifen deutlich auf andere Quellen zurück und mich mit dem Etikett zu belegen, hat oft das Problem mit sich gebracht, dass ich als “systematisch” gelesen wurde. Das klingt ja noch abschreckender! Ich bezeichne mich seither als Berater/ Consultant.
Maurice Malten, Berater/ Consultant
Ob oder wie systemisch gearbeitet wird, entscheidet die Anfrage und damit der Auftrag selbst darüber, inwiefern das systemische Vorgehen überhaupt indiziert ist.
Stell´ Dir, wir bekommen Besuch vom Mars: Wie würdest du einem Mars-Bewohner Deine Tätigkeit und die systemische Arbeit beschreiben?
Oh ha! Was soll ich einem intelligenten Wesen noch beschreiben, dass zu uns auf die Erde geflogen kommt? Vermutlich kennt er sich deutlich besser aus mit Systemen und deren Nutzbarkeit und ich würde lieber in seine Schule gehen, als meine Tätigkeit in die Beschreibung zu senden. Vielleicht vertrete ich dadurch ja die beschreibende und bescheidenere Art meiner Arbeit, in dem ich zuhöre, beobachte, nachfrage und interessiert und offen für Neues bleibe?
Auswirkungen des digitalen Strukturwandels
Wir haben uns zum Ziel gesetzt, systemische Angebote in der digitalen Welt sichtbarer zu machen. Daher interessieren wir uns für den Einfluss des digitalen Strukturwandels auf Deine Arbeit.
Wie stehst du zum digitalen Strukturwandel?
Kann der auch schneller gehen? Ich arbeite ja schon viel am PC. Ich bin damit aufgewachsen und es ist so natürlich, dass die meisten Angebote und Kommunikationen mich digital erreichen. Offen und neugierig bin ich, welche Lösungen in Zukunft noch mehr digitalisiert ablaufen können und wo Papierberge der Verschwendungen gesenkt werden können. Hier und da bin ich auch froh, auf eine Video-Konferenz ausweichen zu können, statt 90 Minuten Fahrtweg auf mich zu nehmen, mit überfüllten Wagons, Verspätungen und Ausfällen… Ich stehe dem Wandel also offen entgegen und bin dabei auch bemüht analog-bewährtes erhalten zu wollen. Ich gehe beispielsweise nicht davon aus, dass die Ausbildung in Systemischer Beratung sich komplett digitalisieren lässt. Der Luxus echter face-to-face Kommunikation, die Entschleunigungen in der Gruppe, der spontane und zufällige Austausch – das wird bleiben.
Wie verändert sich dadurch Deine Arbeit, hat sie sich bereits verändert?
Meine Arbeit hat sich deutlich näher zum Bildschirm bewegt. Meine Berufskolleg*innen tauchen dort jetzt auch öfter auf. Sie nutzen meine Angebote und Räume um sich gemeinsam auszutauschen und sich sicherer in diesem Raum zu bewegen. Ich inspiriere mit meiner Haltung und meinen Ideen noch mehr Menschen und zeige auch online, bzw. in Videokonferenzen auf, wie systemisches Arbeiten am Computer gelingen kann. Ich bin nicht so laut oder offensiv wie andere. Die Menschen, die zu mir kommen, bemerken allerdings schnell, welches konstruktive und zugewandte Gruppenklima auch in virtuellen Umfeldern gelingen kann. Durch die Medienkompetenzen werde ich nun deutlich stärker wahrgenommen und rutschte dadurch in Sichtbarkeit und Einfluss auf.
Welche Chancen, aber auch welche Grenzen sind für Dich erkennbar?
Eine riesen Chance sichtbar zu werden und zu zeigen, welche Gestaltungskraft meine sozialen Räume (auch online) haben, war die Gründung eines virtuellen Lernabends – CoLearning Space genannt. Dort kamen deutschlandweit Profis in Beratung, Moderation und Training zusammen, aber auch diejenigen, die gerade noch die ersten Lernschritte machen. Das war einerseits eine unglaubliche Bereicherung und auch ein tiefes Übungsfeld für mich, die Prozesse der Gruppe online steuern zu lernen, verdichtet die Erfahrungen machen zu dürfen und andererseits wieder entspannter im Präsenz-Seminar die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Gruppendynamik weiter beobachten zu können.
Grenzen sind aber auch erkennbar: Ich mache nicht mehr alles mit. Ich trete deutlich für meinen Arbeitsraum ein, bitte um das, was ich für eine gute Arbeit alles brauche und treffe konsequente Entscheidungen, wenn ich merke, dass die Voraussetzungen nicht gut sind für einen gemeinsamen Start. Im Zuge meiner Selbstfürsorge trete ich dafür ein, nicht alles mitzumachen und auf günstigere Zeitfenster zu warten. Ab und zu lehne ich Aufträge daher ab und bleibe im Online-Setting statt in Präsenz zu gehen.
Jetzt geht es nochmal ums große Ganze. Wir sind absolut überzeugt davon, dass systemisches Arbeiten nachhaltige Veränderung möglich macht.
Was würde sich Deiner Meinung nach verändern, würden ALLE systemisch agieren?
Viele Seiten in mir würden neugierig verfolgen, was passiert, wenn alle ihrer Definition von “systemisch” folgen würden. Ich denke, die Menschen würden sich darüber verständigen was für sie systemisch heißt und was nicht. Sie würden darüber reden woran sie merken, dass das gerade eine systemische Aktion war und wie systemischere Aktionen wohl gestaltet werden könnten. Ein ganz schönes Kommunikationschaos bis sich die Muster und Ordnungen durchsetzen, die bewusster und lebensförderlicher sind, oder? Systemisch würde dann keinen Unterschied mehr machen. Wenn alle systemisch agieren, wie soll noch erkannt werden, was nicht systemisch ist?
Ich glaube, dass dann nicht-systemische Aktionen weniger verurteilt würden, in ihrer Sinnhaftigkeit und ihrer Umwelt besser verortet werden könnten und einen Anlass zum Lernen und Erkunden geben. Nicht-Systemisches Agieren würde dann spannend und neugierig befragt werden, um in einer ganzheitlichen Sichtweise aufzugehen und damit hoffentlich nachhaltigere und zukunftsfähigere Konzepte zu entwickeln. Für mich wäre es zusätzlich die Einladung, mich erneut neu zu erfinden – denn als Teil der Bewegung wäre meine Rolle ausgedient. Und: Mein Partner würde sich bestimmt über die neu gewonnene Zeit freuen.
Gibt es noch etwas, was du hier an dieser Stelle gern noch erwähnen möchtest?
Ich möchte mich bei euch für das Interview bedanken! Ich freue mich, auf die Rückmeldungen und Resonanzen des Lesens! Für Projekte und den Austausch mit neuen oder bekannten Menschen bin ich offen, um mehr systemisch-agile Ideen in Organisationen voran zu treiben und Interessierte in Systemischer Beratung ausbilden zu dürfen.
Wie kann man Dich am besten erreichen?
Webseite: www.mauricemalten.de
LinkedIn: https://www.linkedin.com/in/mauricemalten/
Xing: https://www.xing.com/profile/Maurice_Malten/cv
Facebook: https://www.facebook.com/mauricemalten90/
Über welchen Kanal können Klient*innen Kontakt zu Dir aufnehmen?
Am besten per Mail oder im direkten Anruf 🙂
Wir danken Dir sehr herzlich für dieses Interview und freuen uns, wenn wir über Social Media oder den Systemischen-Club miteinander in Verbindung bleiben!
Wenige Male im Jahr verlosen wir auf Social Media ein Interview. Möchtest du die Chance mehr über Deine Arbeit zu berichten, nicht dem Zufall überlassen, kannst du jederzeit gern einen Artikel oder eine Methode beisteuern oder alternativ ein exklusives Interview bei uns buchen. Schreibe uns für mehr Infos gern eine Nachricht.
Dieser Beitrag wurde vom Redaktionsteam des Systemischen Netzwerks für Euch erstellt.
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