Rezension: Grenzpaare in der traumasensiblen Paartherapie
Auf einem Blick
Es folgt die Rezension des Buches „Grenzpaare in der traumasensiblen Paartherapie“, erschienen im Juni 2023 im Junfermann-Verlag.
Autorin: Dr. Katharina Klees
Zielgruppe: Fachpersonen, die mit den Problemen traumatisierter Paare konfrontiert sind (Berater:innen, Therapeut:innen, Frauenärzt:innen, Anwält:innen, Mitarbeiter:innen in der Jugendhilfe)
Das Buch ist keine Lektüre „für zwischendurch“, aber es lohnt sich definitiv, sich die Zeit dafür zu nehmen, wenn man im Paarkontext arbeitet. Der Begriff ‚Grenzpaare‘ mag zunächst speziell erscheinen, aber bei genauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass es sich um ein Thema handelt, das in der Praxis häufig auftritt: Paare, bei denen herkömmliche Ansätze versagen und man sich fragt, warum. Dieses Buch liefert die Antwort darauf. Die Autorin geht jedoch über bloße Erklärungen hinaus und stellt diagnostische Hilfsmittel sowie konkrete Behandlungspläne bereit, die je nach vorliegender Situation angewendet werden können.
Grenzpaare in der traumasensiblen Paartherapie
Herzlichen Dank an Sarah Klein für die ausführliche Rezension.
Kommentierte Inhaltsangabe
Das vorliegende Buch ist eine Ergänzung des Buches „Traumasensible Paartherapie“, Dr. Katharina Klees, erschienen in 2018. Aus der Praxis heraus wurde offensichtlich, dass eine angepasste Herangehensweise für Personen notwendig ist, die Grenzverletzungen erlebt haben. In diesem Fall erfordert der Prozess mehr Struktur, Fachwissen und Grenzsetzung seitens der Fachperson.
Es ist wichtig, zu verstehen, dass Grenzpaare voneinander abhängig sind, da sie sich für die Aufrechterhaltung von Dynamiken, die aus früheren Erlebnissen resultieren, brauchen. Das Buch vermittelt den Sinn und die Werkzeuge, um Probleme in einer gemeinsamen therapeutischen Umgebung anzugehen. Eine Einzeltherapie würde bei Grenzverletzungen die Polarisierung eher zementieren. Die systemische Haltung der Autorin wird an vielen Stellen, z.B. in der Erweiterung des Möglichkeitsraums, sichtbar. Sie nimmt eine wertschätzende und wachstumsorientierte Sichtweise ein und legt den Fokus auf den erlittenen Schaden anstatt auf individuelles Versagen.
Das Buch verwendet zwei Hauptmetaphern, die Geisterbahn und das Traumaschloss, um ein hilfreiches und fantasieanregendes Gesamtbild zu zeichnen. Es stellt eine eigene Methodik rund um diese Metaphern zur Verfügung, die einen hohen Reifegrad erkennen lässt und sich bereits in Weiterbildungen und in der Praxis bewährt hat.
Im Detail
Informationsdichte (4/4 Punkte)
Das Buch bietet eine fundierte Darstellung, die sowohl theoretisch als auch praktisch tiefgründig ist. Es werden viele neue Begrifflichkeiten eingeführt und erklärt, die selbst erfahrenen Paartherapeut:innen – zumindest in Teilen – neu sein dürften, da die Autorin tief in die individuelle Traumatherapie einsteigt. Dadurch benötigt man als Leser:in aus meiner Sicht eine gewisse Fähigkeit zur Übertragung, um herauszufiltern, welche Aspekte im eigenen beruflichen Alltag Anwendung finden können.
Die Aufbereitung der Informationen ist stimmig. Die plakativen ‚Krisen-Skripte‘ in Comicform stellen eindrücklich die unterschiedliche Wahrnehmung derselben Situation durch die Paare aus den Fallbeispielen dar.
Visuelle Aufbereitung/Gestaltung (4/4 Punkte)
Das Buch besteht aus 414 prall gefüllten Seiten und kann parallel zur gebundenen Version auch als E-Book heruntergeladen werden.
Die visuelle Aufbereitung ist gelungen – es überwiegt der Textanteil, aber auch zahlreiche Abbildungen, Fragebögen sowie konkrete Behandlungspläne sind enthalten. Mit dem Kauf des Buches erhält man zusätzliche Materialien, die man sich über elopage herunterladen kann. Das ergänzende Material ist hilfreich, da zum einen die Möglichkeit besteht, Themen punktuell, z.B. durch Videomaterial zu vertiefen, zum anderen erhält man konkrete Fragebögen und Übungsblätter, die man direkt einsetzen kann. Im Buch selbst wird durch ein Icon darauf hingewiesen, wenn zum jeweiligen Abschnitt Zusatzmaterial vorhanden ist.
Struktur (4/4 Punkte)
Das Buch wirkt von Beginn an sehr strukturiert, es herrscht eine klare Einteilung von Themen in Kapitel und der Autorin gelingt ein flüssiges Führen durchs Buch. Man merkt, dass dieses Buch kein Erstlingswerk ist. Das vermittelte Wissen baut aufeinander auf und es werden spezielle Begrifflichkeiten eingeführt und verwendet, sodass ein reines Blättern durch das Buch wenig sinnvoll ist. Die Struktur orientiert sich am 5-stufigen Behandlungsplan und es werden insgesamt 4 Paarberatungsprozesse mit unterschiedlichen charakteristischen Themen vorgestellt.
Verständlichkeit (4/4 Punkte)
Das Buch ist verständlich geschrieben. Es ist kein spezielles Vorwissen notwendig. Die vielen Bilder vereinfachen das Verständnis für die oft komplexe Materie. Durch die Darstellung bestimmter Situationen in Comicform wird das innere Erleben deutlich spürbar und somit nachvollziehbar für alle Beteiligten. Hilfreich ist auch, dass die Autorin nicht nur die negativen Ausprägungen beschreibt, sondern diesen das Verhalten einer gesunden Person gegenüberstellt. Somit wird klar, in welche Richtung ein gemeinsames Wachstum stattfinden kann und die Fachperson erhält die Orientierung, um eine optimale Prozesssteuerung wahrnehmen zu können.
Eignung/Nutzen
Das Buch liest sich durch die vielen Praxisbeispiele teilweise wie ein spannender Roman. Die detaillierten Schilderungen aus der Beratungspraxis helfen dabei, sich ein persönliches Fazit zu bilden, ob man sich ausreichend vorbereitet, ausgestattet und begleitet fühlt, um mit Grenzpaaren zu arbeiten. Man wird als Leser:in in die Gedankenwelt der Autorin mitgenommen. Indem die Interaktionsdynamik der Paare sehr lebendig und nachvollziehbar dargestellt wird, erlebt man im Laufe des Lesens einen ständigen Erkenntnisgewinn.
Relevanz (4/4 Punkte)
Insgesamt betrachtet hat das Buch eine hohe Relevanz für die Paarberatung, da jede Fachperson früher oder später mit Grenzpaaren konfrontiert wird. Die Autorin greift auch aktuelle Themen wie die Darstellung toxischer Beziehungen in Social-Media-Kanälen auf. Es bietet zahlreiche Impulse und Hilfsmittel, jedoch allein die Lektüre reicht nicht aus, um Grenzpaare optimal zu unterstützen. Es bedarf unbedingt einer aktiven Auseinandersetzung und praktischen Anwendung der Methoden. Eine (supervisorische) Begleitung ist in diesem Bereich essenziell, da Grenzpaare zu Grenzüberschreitungen neigen – auch gegenüber der Fachperson.
Bei Interesse an dem vorgestellten Buch, freuen wir uns über einen Kauf über diesen Link (Wir erhalten dafür vom Junfermann Verlag eine Provision). Hast du einen Lesetipp für unsere Community oder hast du selbst ein Buch veröffentlicht, welches wir näher in den Blick nehmen sollten, dann schreibe uns gern eine Nachricht.
Systemische Beraterin (dgsf-zertifiziert) | Psychologische Beratungspraxis für Frauen und Paare | Lehrbeauftrage an der Hochschule zum Thema Krisen und Resilienz
Sarah scheut keine Herausforderungen und versteht sich selbst als Teil eines Sicherheitsnetzes, das Menschen dabei unterstützt, Krisen zu bewältigen. Oft geht es in Krisenzeiten darum, bereits vorhandene Probleme gemeinsam zu lösen. Sarah ist überzeugt davon, dass eine präventive Aufklärung und Auseinandersetzung mit bestimmten Themen als Möglichkeit dienen, sich für Krisen zu wappnen, bevor diese entstehen. Eine ihrer besonderen Fähigkeiten liegt darin, komplexe Sachverhalte durch Visualisierung geordnet und strukturiert darzustellen.
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